Venustransit 2012 in Colakli

Nachdem wir am 8.Juni 2004 bei herrlichem Wetter den letzten Venus-Transit in voller Länge (gut 6 1/2 Stunden) beobachten und photographieren konnten, wollten wir uns auch diesmal das Himmelsschauspiel nicht entgehen lassen. Leider befindet sich Europa während des Transits auf der Nachtseite der Erdkugel – man konnte also nur das Ende miterleben. Trotzdem waren alle Sternfreunde gespannt auf dieses im wahrsten Sinne des Wortes ‚Jahrhundert-Ereignis’ – erst im Jahre 2117 wird so etwas wieder geschehen!

 

Leider wurden die Beobachtungsbedingungen mit Herannahen des 6.Juni zunehmend schlechter – Regen und Wolken waren angesagt ! Wenig Hoffnung – trotzdem liefen die Vorbereitungen bei den Sternfreunden für das Vereinsgelände und bei uns im Odenwald sorgfältig weiter. Zwei Sternfreunde hatten den Urlaub mit ihren Frauen bereits seit Langem so organisiert , dass sie den Venustransit in voller Länge von Japan bzw. von Australien aus erleben konnten – die waren also schon unterwegs als wir uns zu einem abschließenden Gespräch am Freitag, dem 1.6.2012 , auf dem Vereinsgelände trafen: nicht nur die Beobachtungsgeräte sollten vorgehalten werden, insbesondere die Live-Übertragung aus dem Internet für die Präsentation mit Beamer auf die Leinwand im Vereinsheim musste sichergestellt sein. Meine Frau und ich fuhren anschließend am Abend noch in unsere Sternwarte im Odenwald, fast stündlich die Wettervorhersagen überprüfend. Trostlos!

Am Samstag gegen Abend entschlossen wir uns dann, die Hoffnung aufzugeben und am Sonntag nach dem Frühstück an den Flughafen Frankfurt zu fahren, um mit Last-Minute in den Süden der Türkei zu fliegen – möglichst weit nach Osten und nach Süden, dann bekommt man noch ein paar Minuten mehr die Venus zu sehen. Auf die Schnelle zum Urlaub in die Türkei zu fliegen ist eigentlich kein größeres Problem , aber wenn man partout am nächsten Tag fliegen will und die Urlaubsaison be-reits begonnen hat , dann wird es mit den Flügen rasch eng – Hotelunterkunft war nicht das Problem! Nach einer halben Stunde war dann doch alles gebucht: 5-Sterne-Hotel bei Side, Abflug am Montag, den 4.Juni um 15:00 nach Antalya. Daß der nächst- mögliche Rückflug erst am Dienstag, den 12.6.12, möglich war und deshalb der Skattermin verlegt werden musste, wurde billigend in Kauf genommen – so etwas ist eben höhere Gewalt! Der Skattermin konnte 8 Tage später nachgeholt werden, bei einem Venustransit ist das unmöglich.

 

Das Hotel kannten wir nicht, wohl aber die Gegend westlich von Side: Hier erlebten wir am 29.3.2006 zusammen mit zahlreichen türkischen Freunden sowie einem guten Dutzend Rüsselsheimer Sternfreunden bei besten Beobachtungsbedingungen unsere bisher schönste totale Sonnenfinsternis – eine Tam Günes Tutulmasi von gut 4 Minuten Dauer! Wir freuten uns also auf die sommerlichen Temperaturen und den strahlend blauen Himmel, den die Wettervorhersagen uns seit Tagen ankündigten. Ein makelloser Vollmond, gestochen scharf am Horizont empfing uns schon am Flughafen in Antalya – wir beglückwünschten uns zu unserer Entscheidung hierher auszuweichen! Nach einer knappen Stunde erreichten wir unsere Hotel und beka- men auch ein sehr schönes, ruhiges Zimmer (natürlich mit Balkon). An der Rezeption bestellte ich für den nächsten Morgen zumindest für 3 Tage einen Leihwagen – für alle Fälle! Nach einem kleinen Snack, einem doppelten Raki waren dann die Anstren-gungen der Anreise bald verschmerzt: 20 kg Astro-Gerätschaft wollen nicht nur ver-packt und geschleppt werden, den Laptop hatte ich schon aus Gewichtsgründen zu-hause gelassen und nur das iPad mitgenommen, aber beim Einchecken in Frankfurt war das Ganze doch recht grenzwertig: 3 Digitalkameras,1 Zeiß-Refraktor 63/840mm mit Glasfilter D5, die einarmige Celestron-Montierung mit Stativ, Steuerung und 12V-Batterie, ein stabiles Stativ für das Lunt LSHalpha35 zur Beobachtung und Photo-graphie im H-alpha-Licht zusammen mit etlichen Okularen bringen doch rasch einige Kilo auf die Flughafenwaage – aber der erfahrene Astro-Reisende schafft das!

 

Nach einer kurzen Nacht ging ich dann am Tag vor dem Transit gegen 4 Uhr in der Frühe hinunter zum Strand, um den genauen Ort für den Sonnenaufgang zu erkun- den. Ein schöner Hintergrund für eine Aufnahme der Sonne mit der Venus sollte es sein – die Aufgangszeit hatte ich in der Computersimulation (TheSky) für etwa 4:43 Uhr Ortszeit ermittelt. Ich war also rechtzeitig vor ort, aber der Osthorizont in Rich- tung Side erwies sich durch die Hotel- und Hauskonturen in der Ferne als unge- eignet. Aber der gut 100m breite Strand ging zum Land hin in eine ca. 40 m hohe Dünenlandschaft über. An manchen steilen Stellen war es in dem tiefen Sand recht mühsam. Umwege wegen der Büsche oder Dornenhecken führten mich aber schließlich zu einer durchaus als geeignet erscheinenden Stelle mit freiem Blick auf den Aufgangspunkt der Sonne.

Bei dieser Suche in den Dünen war ich keineswegs alleine: Ein großer Hund war meiner Spur vom Strand gefolgt, verstand aber durchaus meinen Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden, ebenso wie der Nachtwächter am Hotel, der mich etwas arg- wöhnisch beäugte, als ich nach einem Zugang vom Hotel zu dem Beobachtungsplatz in den Dünen suchte. Ich fand zwar einen Weg, der mir allerdings mit der astronomischen Gerätschaft und meinen beiden neuen Titan-Knien zu riskant schien. Aber von der Ostseite her sah ich eine ganze Reihe von Balkonen am Hotel, die für unser Vorhaben durchaus geeignet erschienen – freier Blick auf den Sonnenaufgangspunkt!

 

Nach dem Frühstück nahm ich sofort Kontakt mit der Rezeption auf: Ob ich mit meinem Zimmer nicht zufrieden sei, was wir zu bemängeln hätten – man würde sich umgehend um eine Lösung bemühen! Nach einigem Hin und Her hatte man es kapiert: Es ging also um den Balkon nach Osten – aber die Zimmer waren alle entweder belegt oder vorbestellt. Und als ich dann versprach, den Balkon nur von 4 bis 8 Uhr am frühen Morgen zu nutzen, bekam der Nachtdiensthabende ins Auftrags- buch geschrieben: Um 4 Uhr holt Herr Benz den Schüssel für Apartment 2201 ab und bringt ihn um 8 Uhr zurück. Die hervorragend deutschsprechende Hülya an der Rezeption machte sich hier wirklich verdient um die deutsch-türkische Freundschaft und die Anliegen zweier Amateurastronomen!

 

Trotzdem machten wir anschließend mit dem Mietwagen einen Ausflug in die nähere Umgebung, Ausschau haltend nach einem eventuellen Ausweichplatz für die Beobachtung – weiß man, ob die Mieter nicht vielleicht doch verfrüht anreisen oder sonst etwas passiert? Auf jeden Fall wurden die Batterien nochmals nachgeladen, die Kameras und die Fokuslage eingestellt und belassen. Der Wecker auf 3:30 Uhr gestellt und ein letztes Mal der wolkenlose Abendhimmel genossen. Frühe Nachtruhe war also angesagt, damit wir wirklich nichts verpassen.

 

Und dann waren sie da: die Wolken! Katastrophe! Alle Mühe vergebens? Frust pur!

Trotzdem wurde natürlich alles aufgebaut am Balkon nach Osten – vielleicht gibt es Lücken, vielleicht kommt Wind auf ?! Und tatsächlich: Blickweise erspähte Käthe mit dem kleinen 8x24 Fernglas mit Selbstbau-Folienfilter die Sonne mit Venusscheibe. Es ist stets bei unseren Reisen dabei – ob in China , Namibia oder Australien, man ist stets in etwa informiert, was sich auf der Sonne tut.

Und mit einer halben Stunde Verspätung gelang dann die erste Aufnahme mit dem Refraktor im Integral-Licht : Die unbeleuchtete Rückseite der Venus vor der Sonnenscheibe mit den Sonnenflecken, die wir bereits vom Vortage kannten! Das Bild aus dem Refraktor kommt natürlich seitenverkehrt und auf dem Kopf stehend aus der Kamera so daß es mir sinnvoll erschien, es zu drehen damit man nicht irritiert wird. Die Bildfelddrehung aufgrund der azimutalen Montierung ist bei den folgenden Auf- nahmen weniger störend.

Die eingeblendete Uhrzeit ist Ortszeit bzw. MEZ . Die Bilder insgesamt sind praktisch unbearbeitet aus den Kameras übernommen, um ein zeitnahes Einstellen auf der Homepage www.ruesselsheimer-sternfreunde.de zu ermöglichen. Die wechselnden Lichtverhältnisse und die reisebedingten Schwächen bei Nachführung und exakter Fokusierung ließen keine wirklich guten Aufnahmen zu, aber mit etwas Muse bei der Bildbearbeitung lässt sich bestimmt noch einiges aus den zahlreichen Aufnahmen, insbesondere aus den H-alpha-Aufnahmen mit der Canon 450D herausholen. Eine dieser Aufnahmen zeigt die Venus kurz vor dem Austritt zusammen mit Pro- tuperanzen, die sich vor dem Hintergrund des schwarzen Weltraums am Sonnenrand abheben.

 

Die in Rüsselsheim verbliebenen Sternfreunde konnten den Vorgang zwar nicht live mit eigenen Augen verfolgten, sahen das Ganze aber im Internet und schickten uns bereits am folgenden Morgen das 14,6 MB große MPEG-4 Movie der NASA – Großartig! Alles im Zeitraffer in verschiedenen Wellenlängen und ohne Wolken – dort oben bei den Satelliten gibt es ja so etwas nicht.

 

Der abschließende Schnappschuß zeigt zwei letztendlich doch zufriedene Sternfreunde aus Rüsselsheim, die noch einige Urlaubstage bei Side vor sich hatten.