Sternfreunde besuchen Marburg

Die diesjährige Exkursion der Rüsselsheimer Sternfreunde führte nicht wie oft in den letzten Jahren zu fernen Zielen nach England, in die Türkei oder gar wie im vergangenen Jahr nach China – nein , in diesem Jahr blieb man in der Heimat und besuchte am Samstag, 8.5.2010, astronomische Einrichtungen in Marburg mit einer der ältesten Universitäten Deutschlands.

Mit Privatwagen trafen die 15 Sternfreunde gegen 10 Uhr auf dem Gelände des Phy- sikalischen Instituts unterhalb des Marburger Schlosses ein, wo sie von Dr. Andreas Schrimpf erwartet wurden. Man kannte sich bereits, denn Dr.Schrimpf hatte vor gut zwei Jahren hier in Rüsselsheim im Rahmen der astronomischen Vortragsreihe refe- riert. Zunächst ging es vom Institut aus zu Fuß hinauf zum Schloß mit kompetenten Erläuterungen und herrlichen Ausblicken auf die Stadt und die nähere Umgebung – das Wetter war zum Glück im Vergleich zu den letzten Tagen überraschend gut ge- worden. Nach den Rundgang begab man sich in den Hörsaal der Physik-Fakultät, in dem Dr.Schrimpf die neuesten Ergebnisse seiner Nachforschungen zu den astrono- mischen und geodätischen Arbeiten eines seiner Vorgänger im Amt präsentierte: Christian Ludwig Gerling (1788-1864) war ein Schüler von Carl Friedrich Gauß und daher vertraut mit den Methoden der Landvermessung und den mathematischen Verfahren der Auswertung dieser Messungen. Nachdem er 1817 den Ruf als Pro- fessor für Mathematik, Physik und Astronomie nach Marburg erhalten hatte war er zunächst vornehmlich mit der Triangulationsvermessung von Kurhessen befaßt, mit der er bis 1837 eine wichtige Lücke in der Vermessung Europas schließen konnte und ihm den Ruf, einer der besten Geometer seiner Zeit zu sein , einbrachte. Auf dem großen Institutsgebäude am Schloßberg errichtete er eine astronomische Beo- bachtungsstation, die mit ihrem 8-eckigen Turm und der Beobachtungsterrasse auch heute noch ein Blickfang ist. Als Visierpunkte zum Ausrichten seiner Teleskope benutzte er die von dort aus in der Ferne sichtbaren markanten Kuppen und Felsfor- mationen. In mehreren Kilometer Entfernung brachte er gewaltige, tonnenschwere Markierungssteine an, die auf der Erde genau eingemessen die exakte Verbindung zum Sternhimmel ermöglichten – GPS vor 150 Jahren ! Heute nutzt man täglich das Navigationssystem im Auto, im Handy etc und man denkt wohl kaum daran, daß in der Vergangenheit jemand die Vorarbeiten für solche Systeme geleistet hat. Dr.Schrimpf gebührt die Anerkennung , in der Analyse von Gerlings Aufzeichnungen Hinweise auf die Orte der Peil-Steine gefunden, mit GPS und mühsamer Suche in Wald und Feld ausfindig und z.T. mit Hilfe des Technischen Hilfswerke aufgerichtet und mit Restauratoren wieder hergerichtet zu haben. Ein Förderverein steht vor der Gründung mit der Zielsetzung, diese grundlegenden Arbeiten von Gerling auf Dauer vor dem Vergessen zu bewahren. Vieles mehr noch zu der Gesamtthematik erfuhren die Sternfreunde beim Vortrag und dem Besuch der kleinen Sammlung mit histori- schen Geräten unterhalb der Sternwarte bevor man zur gemeinsamen Mittags- einkehr ins Hotel Seebode bei Frauenberg fuhr und anschließend in einer 10 Minuten Wanderung zum ersten Peil-Stein pilgerte.

 

Mit dem Auto ging es dann weiter nach Spiegellust / Ortenberg, wo man auf abenteuerlichen Pfaden bzw. auch ohne Pfade zum nächsten Peilstein mitten im Buchenwald gelangte: 1 Meter der 60 mal 60 cm dicken Steinsäule schaute heraus, 1,5 Meter stecken weiter hin in der Erde. Die eingemeißelten Peilmarkierungen waren gut zu erkennen. Abschließend ging es dann noch nach Wehrda , wo man sich den schon sehr gut restaurierten dritten Peil-Stein anschaute und anschließend nach 18 Uhr die Heimreise antreten konnte. Eine unterhaltsame und lehrreiche Exkursion war zu Ende gegangen.

Rüsselsheimer Sternfreunde bei der Exkursion nach Marburg am 8.5.2010
Rüsselsheimer Sternfreunde bei der Exkursion nach Marburg am 8.5.2010