In Abänderung zum ausgedruckten Jahresprogramm 2015 laden die Rüsselsheimer Sterrnfreunde zum nächsten Astronomievortrag am Fr.16.10.15 um 20:00 Uhr im E1 der HS-RM ein:
Astronomische Gelehrtenrepublik im 18. Jahrhundert. Die Mannheimer Sternwarte unter Christian Mayer SJ (1719-1783)
Referent Prof. Dr. Dr. Alexander Moutchnik, Hochschule RheinMain, Wiesbaden.
Die „Gelehrtenrepublik“ bzw. „res publica litteraria“ konstituierte sich seit dem 16. Jahrhundert als ideelle Gemeinschaft, zu welcher alle Gelehrten und Künstler der Welt kraft ihrer Beschäftigung mit den Wissen-schaften und Künsten gehörten. Sie erstreckte sich über geographische und politische Grenzen hinweg und postulierte die Gleichberechtigung ihrer Mitglieder, Universalität, religiöse Toleranz und Freiheitlichkeit der rationalen Wahrheitssuche.
Die Gelehrten im 16. bis 18. Jahrhundert waren in ihrer Forschungsfreiheit an den Universitäten beträchtlich eingeschränkt, denn die Universitäten verbreiteten weitestgehend den vorgeschriebenen Wissenskanon und waren an die Ideologie der Kirche stark gebunden. Demgegenüber bildeten sich im 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Europa und Amerika Akademien der Wissenschaften, Gelehrtengesellschaften und Sozietäten heraus, welche ihren Mitgliedern die gewünschte Gelegenheit zur Forschung, zur Verbreitung neuer Erkenntnisse, zum Austausch von Fachinformationen und auch die Möglichkeit von Geselligkeit boten. Mit einem begrenzten Kreis nach bestimmten Kriterien ausgewählter Fachleute übernahmen diese Insti-tutionen wissenschaftliche Aufgaben , die von einzelnen Gelehrten nicht bewältigt werden konnten. Die Mitgliedschaft in einer Akademie eröffnete einem Gelehrten den Zugang zu deren akademischen Einrichtungen wie z.B. Bibliothek , Naturaliensammlung, botanischer Garten, Kupferstichkabinett, physikalisches Kabinett und Sternwarte.
Der Gründer und erster Leiter der Mannheimer Sternwarte Christian Mayer SJ (1719-1783) ist vor allem bekannt durch seine Forschungsarbeiten in der Astronomie und Kartographie – er war der erste, der die Doppelsterne als physikalisch zusammengehörige Objekte beschrieb und den ersten modernen Katalog derselben veröffentlichte, als erster auch erstellte er geographisch genaue Karten der Kurpfalz. Außerdem hatte er die ersten Lehrstühle für Experimentalphysik und Astronomie an der Universität Heidelberg inne und leitete das erste universitäre physikalische Kabinett sowie die erste Naturaliensammlung der Universität.
Zu seinen Verdiensten gehört neben der Errichtung der Sternwarte in Mannheim auch die Gründung der kleineren Sternwarte in Schwetzingen. Darüber hinaus nahm Christian Mayer aktiv an allen drei inter-nationalen naturwissenschaftlichen Projekten des 18. Jahrhunderts teil: am europaweiten Kartierungsprojekt von César François Cassini de Thury, am Projekt der Beobachtung des seltenst stattfindenden Venus-durchganges von 1761 und 1769 und am Aufbau des ersten internationalen meteorologischen Netzwerkes „Societas Meteorologica Palatina“.
Als Mannheimer Hofastronom wurde Mayer Mitglied der Akademien der Wissenschaften und Gelehrten Gesellschaften in Bologna, London, Halle, Göttingen, Philadelphia, München, Mannheim und Düsseldorf. Außerdem unterhielt Mayer rege wissenschaftliche Kontakte mit den Akademien der Wissenschaften in Paris und Sankt Petersburg. Seine Forschungsarbeiten – u.a. auf der Mannheimer Sternwarte – bekamen Anerkennung sowohl von solchen Wissenschaftlern wie Leonhard Euler, Nicolas Lacaille, Joseph-Louis Lagrange, Jérôme Lalande, Nevil Maskelyne, Alessandro Volta als auch von den führenden akademischen Institutionen.
Durch die wissenschaftliche Tätigkeit Christian Mayers in der Gelehrtenrepublik wurde Mannheim zum wichtigen Standort der naturwissenschaftlichen und dabei insbesondere der astronomischen Forschung im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts.
Der Eintritt ist wie stets in dieser auch von der VHS-Rüsselsheim gesponserten Vortragsreihe kostenlos.